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Gepanschtes Olivenöl für den deutschen Verbraucher

Gepanschtes mildes Olivenöl für den deutschen Verbraucher

Der freie Markt für Olivenöl funktioniert nicht richtig. Die Kenner sind frustriert: Die einfachsten Dinge kapierten viele Kunden nicht – dass ein gutes Öl bitter schmecke und grasig, und eben nicht mild und buttrig. Doch die Leute, die im Supermarkt einkaufen, wollen das Öl gern mild.

„Wir sind erst so weit, wie beim Wein vor dreißig Jahren“, stöhnt Richard Retsch, ein Kenner, nämlich der Leiter des Gourmet- und Prüfervereins „Deutsches Olivenöl Panel“. Er sagt am Rande einer großen Neuheiten-Verkostung in den Messehallen von Nürnberg: „Die Diskrepanz zwischen Experten- und Massengeschmack ist groß.“

Dabei haben die Fachleute längst präzise definiert, was gut und schlecht zu sein hat. Es gibt einen Fragebogen, auf dem die Feinschmecker allerhand Eigenschaften der Öle notieren. Stichtig, schlammig, modrig, Aroma von nassem Holz, ranzig: Ist nur eine dieser Noten zu schmecken, fällt das Olivenöl glatt durch. Dann darf es nicht mehr „extra nativ“ heißen. Das ist die höchste Güteklasse. Der Staat verlangt dafür solche Tests: Mindestens acht Fachleute müssen den Geschmackstest machen, dazu muss eine Reihe von Laborwerten stimmen, dann ist ein Öl auch „extra nativ“ oder „extra vergine“.

Für Gourmets ist das nur das Mindeste. Einer von ihnen, Richard Wolny, erklärt, welche Aromen ein herausragendes Öl ausmachen: „Ich kann sagen, wie die Aromatik ist, ob das Öl nach Artischocke schmeckt, nach grüner Tomate, grüner Banane, frisch geschnittenem Gras.“

olivenöl extraktion

Die Nachfrage nach mildem Olivenöl vergiftet den Markt

Es handelt sich um einen großen Markt. 3,3 Millionen Tonnen frisches Olivenöl gibt es im Jahr auf der Welt. Rund 3 Euro je Liter bekommt ein Bauer dafür, in Tunesien und Griechenland etwas weniger, in Italien etwas mehr. Eine Flasche mit sortenreinem, zu hundert Prozent extra nativem Öl kostet den Verbraucher beim Weinhändler oder im Online-Versand mindestens 13 Euro. Im Supermarkt bekommt man einen Liter schon für gut vier Euro – wie kann das funktionieren?

Es gibt viele Zahlen zu diesem Markt, aber auch viele Merkwürdigkeiten. Zum einen sind die Angaben auf den Etiketten in der Regel unklar. Steht nicht darauf, dass es sich um Oliven aus dem Herstellungsland handelt, sondern nur ein italienischer Markenname, so sind ziemlich sicher Mischungen enthalten. Italien erntet gerade ungefähr so viele Oliven, wie die eigene Bevölkerung verbraucht – dabei ist es weltgrößter Erzeuger und auch Exporteur von Olivenöl. Ein Teil des Öls oder der Oliven wird vorher importiert, aus Tunesien, Marokko, Griechenland, und – legal oder auch nicht – umetikettiert.

Die zweite Merkwürdigkeit betrifft die Qualitätsstandards. Ein Öl, das als „extra nativ“ verkauft wird, muss nicht voll und bester Qualität sein. Der Mischmasch ist der Regelfall. Vom Unwissen der Verbraucher profitieren große Ölhersteller wie Bertolli und Nestlé. Denn „extra nativ“ ist eine Kategorie, die durch viele Geschmacksmerkmale, eine mechanische Pressung und einen Höchstgehalt an Fettsäuren gekennzeichnet ist. Es kann aber durchaus ein hoher Anteil minderwertiger Öle enthalten sein. Mischt ein Hersteller etwa zu einem Anteil von 10 Prozent hervorragendes Olivenöl mit 90 Prozent geschmacksneutralem, chemisch raffiniertem drittklassigem Olivenöl, so schmeckt das Endprodukt immer noch „extra nativ“ und besteht den Test.

„Ungemischt müsste der Liter mindestens 13 Euro kosten“

Ein Großteil der Öle, die Rewe, Aldi, Lidl und andere verkaufen, dürften solche Mischungen sein. „Sonst müssten sie mindestens 13 oder 15 Euro je Flasche kosten“, erklärt ein Branchenkenner. Das ist leicht nachvollziehbar, da doch der Erzeuger schon 3 Euro für den Liter erhält.

Wo viel Verwirrung herrscht, kommt den unabhängigen Fachleuten eine bedeutende Rolle zu. Dazu gehört die Stiftung Warentest. Zuletzt überraschte sie im Januar, als sie einen Olivenöltest publizierte, in dem die Massenhersteller als Premium-Marken bezeichnet wurden und die Qualitätshersteller zu „reinen Geschmackssiegern“ herabstuft.

Olivenöl Test - Stiftung Warentest testet 28 Olivenöle und findet keine Polyphenole, unsere Analyse

Der Schwindel mit dem Milden Olivenöl

Quelle:  stern
© Gruner + Jahr AG & Co. KG

Es ist alles eine Frage des Preises:

Die Produktion ist gezielt auf den Billigmarkt ausgerichtet. Was in den Massenhandel gelangt, sind daher oft industrielle, müde Öle – kalorisch hoch, phenolisch und geschmacklich schwach. Hier werden die Oliven nicht gepflückt, sondern vom Baum geschlagen – wenn der Bauer nicht lieber abwartet, bis die überreifen Früchte matschig zu Boden gefallen sind, wo er sie maschinell zusammenfegen kann. Die so geernteten Früchte sieht man dann oft in Säcken am Straßenrand stehen, wo sie in der Sonne vor sich hin schwitzen, gammeln und faulen.
Und das daraus bereitete Öl? Es stinkt, und sein Bestand an freien Ölsäuren, Zeugnisse angegammelter Früchte, übersteigt den zulässigen Grenzwert von 0,8 Prozent auf den Liter schnell bei Weitem.

Wird es nun weggegossen, kommt es in Öllampen oder in Lacke? Nicht doch. Es gibt ja die Ölraffinerie. Und es gibt Deutschland. Viele Konsumenten dort kennen den typischen frischen Geschmack von Olivenöl nicht, das manchmal grasige, blumige, nach Artischocken oder frischem Heu duftende Aroma, die leichte Bitterkeit und Schärfe am Gaumen.

“Und es gibt Deutschland. Viele Konsumenten dort kennen den typischen frischen Geschmack von Olivenöl nicht.”

Nach Deutschland lässt sich auch Öl verkaufen, das ein Chemiker im Lebensmittellabor erst entstunken und dann durch Verschneiden notdürftig aufgefrischt hat. Der Geschmack hat sich den schlechten Qualitäten angepasst. Für den deutschen Markt werden besonders mild schmeckende Öle kreiert und als hochwertig verkauft. Es ist, als präsentierte man in Papua-Neuguinea Cindy aus Marzahn als “Germany’s next Topmodel”.


2013 importierte Deutschland 57 Millionen Liter Olivenöl, fast Dreiviertel davon aus Italien. Viele denken dabei an die schönen Olivenhaine in der schönen Toskana. Doch das Öl, das der deutsche Kunde kauft, stammt nicht immer von dort. Die italienische Herkunft dient auch dem Marketing. Ein italienischer Name auf der Flasche zahlt sich im Einzelhandel immer aus. Wie der Blick ins Regal bei Rewe zeigt. Dort finden sich etwa Carapelli-Firenze, Sasso, Bertolli, Pietro Coricelli. Klingt gut. Schmeckt aber selten so. Wie sollte das auch anders sein, deckt die Produktion von Olivenöl in ganz Italien nicht einmal den eigenen Bedarf. Wenn überhaupt irgendein italienisches Olivenöl das Land verlässt, dann landet es kaum in den Supermärkten, sondern im Fachhandel und nicht zu Billigpreisen, denn in der Toskana – wo fast ausschließlich von Hand geerntet werden kann – ist Olivenöl kostendeckend unter zwölf Euro pro Liter kaum zu erzeugen.”


“In Spanien liegen – bedingt durch die Subventionspolitik der EU – die größten Problemzonen des Olivenanbaus. Besonders in Andalusien betreiben die Grundbesitzer heute riesige Oliven-Monokulturen. Auch die Lieferanten der AOV stammen von hier, darunter Firmen, die mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden. Natürlich gibt es auch hochklassiges Öl in Spanien. Doch das ist so teuer wie überall sonst und gelangt allenfalls in den Fachhandel. Natürlich ließe sich spanisches Öl theoretisch auch als solches vermarkten – aber es hat keinen Ruf. Den hat italienisches Öl.


So gelangt das spanische Massenöl, wie auch das aus anderen Ländern, per Schiff über das Mittelmeer in den Hafen von Livorno. Weiter geht es mit dem Tanklaster quer durch die Toskana, bis die Laster auf den Höfen von Betrieben wie etwa der AOV in Monteriggioni ihre Fracht in einen der Tanks ablassen.”